27., 28. und , eine eigene Übersetzung des englischen Originals
Geldschöpfung gibt es wirklich. Und Geldschöpfung passiert sobald jemand sich bei einer Bank Geld ausleiht.
Trotzdem kreiert die Bank das Geld in diesem Moment nicht aus dem Nichts. Das Geld, das der Entleiher übergeben bekommt, ist wirklich Geld, das zuvor jemand dort eingelegt hat. Es ist echtes Geld.
Wie können beide Aussagen richtig sein? Das werde ich im Weiteren erklären. Es ist ein Paradox. Die Aussagen scheinen widersprüchlich zu sein, sind es aber in Wirklichkeit nicht.
Das ist schwierig zu verstehen. Das Missverständnis ist denn auch weitverbreitet, und führt zu:
Das ist schade, weil es alles beruht auf Missverständnissen, nicht auf Fakten und Einsichten.
Ein einfaches Beispiel. Nehmen wir an, es gibt ein Dorf mit nur zwei Einwohnern. Der eine besitzt einhundert Euros in Bargeld. Der andere hat nichts.
Das Dorf hat auch eine Bank. Die Bank hat ihre Tätigkeiten gerade angefangen. Sie hat noch kein Startkapital und überhaupt noch kein Geld. Ihre Bilanz ist leer.
Im Dorf gibt es auch einen Supermarkt. Der ist im Moment leer.
Gut, das alles, wie das so aussieht, ist ziemlich seltsam und unrealistisch. Das aber dient dazu die Sachen einfacher zu halten, damit wir genau nachvollziehen können was passiert.
Dorfbewohner A hat für einige Zeit genug Essen und alles was er weiter braucht. Er braucht also nicht zum Supermarkt zu gehen um Sachen zu kaufen.
Weil Dorfbewohner A seine 100 Euros für einige Zeit nicht braucht, entscheidet er sie auf die Bank zu bringen.
Wie sieht jetzt die Bilanz der Bank aus, nachdem die Bank diese Transaktion in seine Buchhaltung eingetragen hat?
Bezeichnung | Soll (Forderungen) | Haben (Verbindlichkeiten) |
---|---|---|
Kasse | 100 | |
Sichtkonto von Dorfbewohner A | 100 |
Um feststellen zu können, ob schon Geldschöpfung stattgefunden hat, müssen wir jetzt die Geldmenge betrachten. Die Geldmenge ist der Gesamtumfang der Geldmittel in dieser kleinen Wirtschaft, die aus nur einem Dorf besteht.
Vor dem 1. Schritt war die Geldmenge einfach 100 €, nämlich der Bargeldbetrag den Dorfbewohner A in seinem Geldbeutel hatte. Sonst besaß niemand Geld.
Es mag Ihnen merkwürdig vorkommen, aber nachdem Dorfbewohner A die 100 € bei der Bank eingelegt hat, gilt dieser Betrag nicht mehr als Geld! Na gut, das hängt davon wie man den Begriff »Geld« definieren möchte. Es bestehen verschiedene Geldbegriffe, wobei die Definitionen nicht immer und überall gleich sind. Ich gehe aus von M1, das grundsätzlich das Bargeld außerhalb der Banken umfasst, und die Sichteinlagen.
Die 100 € die dem Dorfbewohner A gehörten, waren Teil der M1-Geldmenge als er sie noch in der Tasche hatte, aber jetzt nicht mehr, da sie sich innerhalb der Bank befinden.
Sie gehören aber auch jetzt nicht der Bank. Dorfbewohner A ist immer noch Eigentümer dieses Geldes. Um das zu belegen bucht die Bank den Betrag in ein Konto. Damit bestätigt die Bank eine Schuld dem Dorfbewohner gegenüber.
Aus Sicht der Bank handelt es sich um eine Verbindlichkeit, die also auf der Habenseite der Bilanz steht.
Das Bankkonto ist ein Sichtkonto, was bedeutet das Dorfbewohner A jederzeit den Betrag vollständig oder teilweise zurückfordern kann. Aus diesem Grund gilt der Betrag als »Geld« unter der Definition von M1.
Insgesamt ist die Geldmenge immer noch 100 €: das Bargeld bei der Bank ist kein M1-Geld, der Saldo im Sichtkonto aber schon.
Dorfbewohner B braucht etwas Geld. Die Bank entscheidet dem Dorfbewohner B 90 Euro zu leihen, von den 100 die die Bank von Dorfbewohner A bekommen hat. 10 Euro verbleiben in der Bank als Bargeldreserve.
Wie sieht die Bankbilanz aus, nachdem die Bank auch diese Transaktion verbucht hat?
Bezeichnung | Soll (Forderungen) | Haben (Verbindlichkeiten) |
---|---|---|
Kasse | 10 | |
Sichtkonto von Dorfbewohner A | 100 | |
Darlehen für Dorfbewohner B | 90 |
Die 90 Euro, die sich jetzt nicht mehr in der Kasse oder im Tresor der Bank, sondern bei Dorfbewohner B befinden, zählen mit als Geld (auch hier wieder nach der Definition M1). Die Sichteinlage von 100 Euro, im Sichtkonto von Dorfbewohner A, zählt auch mit für die gesamte Geldmenge unseres isolierten und sehr einfachen Dorfes.
Die Gesamtgeldmenge ist 190 Euro. Vorher war das 100 Euro. Die Geldmenge ist also um 90 Euro gewachsen. Das bedeutet dass Geldschöpfung stattgefunden haben muss. Das ist passiert zum Zeitpunkt der Kreditvergabe durch die Bank, als die Bank Dorfbewohner B die 90 Euro zur Verfügung stellte.
Ist diese Art von Geldschöpfung, die stattfindet infolge der Kreditgewährung, eine schlechte Sache?
Nein. Sie gehört zum Kern des Konzeptes »Kredit«: Geld das der Eigentümer einige Zeit nicht braucht, kann inzwischen benutzt werden von einem anderen, ohne das der Besitzer es verliert!
Das ist klug, nützlich, sinnvoll und praktisch. Man sollte aber behutsam damit umgehen, das natürlich schon.
Der Entleiher verfügt über ein Teil des Geldes und kann es aufwenden. So besehen ist es Geld. Der ursprüngliche Einleger kann das Geld jedoch jederzeit wieder von der Bank zurückverlangen. Diese Forderung ist im gewissen Sinne auch Geld.
Kreditgewährung durch eine Bank dupliziert im wesentlichen einen Großteil des ursprünglich eingelegten Geldbetrags. Dasjenige was die Bank dem Entleiher zur Verfügung stellt, stammt jedoch vom ursprünglichen Einleger. Die Bank hat nicht hinterlistig Geld selbst gemacht das es vorher gar nicht gab.
Das ist das Paradox. Hoffentlich ist die Sache jetzt klarer.
Ist diese Geldschöpfung unbeschränkt? Nein. Mehr dazu im nächsten Kapitel.
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